GDL-Chef Weselsky diskutiert mit Schülern

vom General-Anzeiger-Bonn am 07.02.17
BORNHEIM. „Claus Weselsky ist schon ein authentischer Typ.“ Mit diesem Urteil stand der 17-jährige Jan-Philipp, der wie rund 60 weitere Schüler zum Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe „Jugend trifft auf Politik“ in den Ratssaal des Bornheimer Rathauses gekommen war, sicher nicht alleine da.
Von Sonja Weber, 07.02.2017
Fast drei Stunden lang informierte und diskutierte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Montag mit den Mädchen und Jungen verschiedener weiterführender Schulen, die der Einladung des Stadtjugendrings Bornheim gefolgt waren. Dabei beschränkte sich die Anwesenheit des 57-jährigen Weselsky nicht nur auf seinen Vortrag und die anschließende Diskussionsrunde.
Auch während der Gruppenarbeit, bei der unter Anleitung von Betreuern Fragen für die anschließende Diskussionsrunde erarbeitet werden sollten, schaute er den Schülern über die Schulter. „Genauso sollte es sein“, freute sich der Vorsitzende des Stadtjugendrings, Dominik Pinsdorf, der als Lokführer den Kontakt zu Weselsky hergestellt hatte. Er zeigte sich zufrieden mit der Resonanz zum Start des neuen Formats. „Mehrere Kurse weiterführender Schulen sind mit ihren Lehrern gekommen und auch einige interessierte Einzelpersonen haben den Weg hierher gefunden. Darauf können wir aufbauen.“
Auch Bürgermeister Wolfgang Henseler fand lobende Worte für die neue Veranstaltungsreihe: „Ich danke dem Stadtjugendring, dass er sich getraut hat, dieses Format auf den Weg zu bringen.“
Trotz eines sehr anschaulichen Vortrags Weselskys, der einen Überblick über die Aufgaben einer Gewerkschaft verschaffte, erwies sich das Thema für die Schüler anfangs ein wenig sperrig. „Normalerweise hätte das Thema nicht auf dem Lehrplan gestanden“, berichteten einige Realschülerinnen der Ursulinenschule Hersel. Gemeinsam mit Gruppenleiter Florian Schütz, der als Beisitzer der Bezirksjugend der GDL Hilfestellung leistete, gelang es den Mädchen aber schließlich doch, viele interessante Fragen rund um Gewerkschaften und Tarifverträge zu formulieren. „Warum ist ein bestimmtes Gehalt für eine Berufsgruppe wichtig?“, „Wie kriegen es die Gewerkschaften hin, die Arbeitgeber zu überzeugen?“ und „Warum wird nicht gestreikt, bis man eine Million Euro am Tag verdient?“ waren Fragen, denen sich der Gewerkschaftsboss in der Podiumsdiskussion, die von der stellvertretenden Schülersprecherin der Europaschule, Johanne Hecht, moderiert wurde, offen und humorvoll stellte.
Hendrik, Alexander und Martin (alle 17) vom Alexander-von-Humboldt-Gymnasium waren mit ihrem Sozialwissenschaften-Leistungskurs zu „Jugend trifft auf Politik“ gekommen. „Bisher haben wir das Thema Gewerkschaften im Unterricht noch nicht groß behandelt“, erklärten die Schüler. „Trotzdem war der Vortrag spannend und es ist toll, dass eine Person wie Claus Weselsky wirklich einmal ansprechbar ist.“ In ihrer Gruppe hatten sich besonders Fragen um die Rechte der Arbeitnehmer herauskristallisiert. Aber auch die Persönlichkeit Weselskys stand im Mittelpunkt des Interesses. Die Frage, was ihn als Mensch auszeichne, nutzte Weselsky, um das Bild des „Egomanen“, das von ihm in den Medien gezeichnet würde, gerade zu rücken.
„Jugend trifft auf Politik“ GDL-Chef Weselsky zu Gast im Bornheimer Rathaus

vom Bonner Rundschau am 06.02.17
Bornheim -
Es war auch ein Treffen unter Kollegen. Dominik Pinsdorf, Lokführer bei der National Express Rail und Vorsitzender des Bornheimer Stadtjugendrings, hatte einen guten Bekannten und noch dazu einen prominenten Redner für die Austaktveranstaltung der Reihe „Jugend trifft auf Politik“ im Bornheimer Rathaus gewinnen können. Claus Weselsky, seit 2008 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), war gestern von Sachsen nach Bornheim gekommen, um Schüler zu informieren und mit ihnen zu diskutieren. Gut 50 Jugendliche interessierten sich für den Ausflug ins Politische.
Hausherr Bürgermeister Wolfgang Henseler begrüßte den Gast aus Dresden mit dem Hinweis, dass Bornheims Partnerstadt Mittweida nicht weit davon entfernt sei. Henseler hatte für den Gast auch eine Tasche mit Bornheimer Spezialitäten gepackt.
Gewerkschaften würden in Lehrplänen keine allzu große Rolle spielen, begründete Dominik Pinsdorf die Idee, einen Funktionär der Arbeitnehmervertreter als Gesprächspartner einzuladen. „Dem Vorstand des Stadtjugendrings Bornheim ging es erstmals darum, einen politischen Bildungsauftrag umzusetzen“, so Pinsdorf. Das gegenseitige Verständnis und der Erfahrungsaustausch war uns dabei sehr wichtig. Junge Menschen sollen sich selbst ein Bild machen von gewissen Themenbereichen, Persönlichkeiten treffen und sich dann ihre Meinung bilden, das sei Ziel der Reihe.
Pendler haben Verständnis für Streiks gezeigt
Die Annäherung an Claus Weselsky war zunächst zögerlich. Er selbst sprach anfangs über Gewerkschaftspolitik, die „keine Parteipolitik sein sollte“, über den Niedergang der deutschen Gewerkschaften („nur 18 Prozent aller Beschäftigten sind organisiert, eine Bankrotterklärung“) und die Stärke der GDL, in der 80 Prozent aller Lokführer organisiert seien. Der Funktionär sprach aber auch über den Menschen Weselsky, der gerade in Zeiten harter Streiks massive Anfeindungen zu verkraften habe. „Wir haben uns eine Menge Schelte abgeholt“, sagte Weselsky. Aber er schaue schon lange nicht mehr auf „unreflektierte Meinungen in neuen Medien“, sondern lege vielmehr Wert darauf, dass sich Menschen „eine Meinung im Diskurs erarbeiten“. Genau zu diesem Zweck sei er nach Bornheim gekommen.
Mehr und mehr aufgetaut sind die Jugendlichen anschließend in sogenannten Gesprächscafés, also Kleingruppen, die Themen wie „Politik versus Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte oder Fragen wie „Sind Gewerkschaften sinnvoll?“ bearbeiteten. Je ein Schüler aus den Gruppen nahm dann an der rege geführten Podiumsdiskussion teil.
Natürlich waren auch Bahnpendler unter den Schülern, und natürlich hatten die sich geärgert, wenn sie bei Streiks auf dem Bahnsteig standen und kein Zug kam. „In der persönlichen Diskussion haben sie aber Verständnis für die Gewerkschaftsposition entwickelt“, beschreibt es Dominik Pinsdorf.
Nächstes Thema von „Jugend trifft auf Politik“ soll die Bundestagswahl sein. Pinsdorf möchte dann ein Speed-Dating mit Politikern organisieren.